Journalistin auf Stippvisite im Sindhupalchok Distrikt
Erneut besuchte Anne Oschwald während ihres Aufenthalts in Nepal Anfang Januar 2025 auch Einrichtungen der Nepalhilfe Beilngries. Seit vielen Jahren ist die in Ravensburg lebende freie Journalistin in vielfacher Weise eine engagierte Unterstützerin. Da kommt es nicht von ungefähr, dass sie ihre gewonnenen Begegnungen und Eindrücke in dem nachfolgenden Bericht zusammenfasste:
Meine zweitägige Reise, zusammen mit Shyam Pandit, einem der Mitarbeiter der Nepalhilfe, führte wieder in den Sindhupalchok-Distrikt, um verschiedene Projekte zu besuchen. In der Peripherie Katmandus ging es vorbei an Schrottplätzen, die mit den ausgemusterten Moped-Skeletten wie Kunstwerke von Tinguely wirken, hinein in die Terrassenfelder, die in allen Grüntönen sogar im Winter um die Wette leuchten. In Bälde werden hier Kartoffeln, Reis oder Mais geerntet. Die steile Landschaft ist ausgetrocknet nach den schweren Regenfällen im vergangenen Herbst. Die Beschädigungen vieler Straßen sind bislang nur leidlich repariert. Nach zweieinhalb Stunden beschwerlicher Fahrt für etwa 40 Kilometer erreichten wir die Shree Jalapadevi Secondary School in Melamchi.
Schule mit landwirtschaftlichem Zweig
Das nach dem schweren Erdbeben 2015 stark zerstörte Gebäude wurde im vergangenen Oktober wieder eröffnet. Auch hier hat der starke Regen vom Herbst schon wieder Spuren hinterlassen. Hinter der Schule hat sich das Wasser seinen Weg am Hang gesucht. Die verursachte gebäudenahe Unterspülung muss schnellstmöglich repariert und befestigt werden.
Gleich nach der Ankunft führen die Kinder und Jugendlichen dann auch ihre morgendliche Zeremonie vor und singen zum Abschluss die Nationalhymne, bevor sie sich in ihre Klassenzimmer zurückziehen. Im Laubengang im ersten Stockwerk beugen sich vier junge Frauen über ihre Bücher und lernen gemeinsam. Sie besuchen den landwirtschaftlichen Zweig der Schule von der 10. bis 12. Klasse. Sie drücken die Freude darüber aus, diese Fachrichtung erlernen zu können. Auch wenn einigen das Lernen der naturwissenschaftlichen Fächer weniger leicht falle als den anderen, wie die 17- bis 19-Jährigen Schülerinnen mit einem Schmunzeln erzählen.
Weite Schulwege
549 Schülerinnen und Schüler besuchen derzeit die Schule. Dafür benötigen sie bis zu einer Stunde um ihr Ziel zu erreichen. Ein junger Lehrer führt durchs Gebäude, das die Nepalhilfe Beilngries finanziert hat. Flankiert wird es von einem zweiten Trakt, gesponsert von Education First – EF, einer Organisation, die in der Schweiz ihren Sitz hat. Die Lehrkraft zeigt neben einigen Klassenräumen auch die neue Küche und die Kantine. Hier bekommen die jüngeren Kinder wie an den anderen Schulen seit kurzem jeden Schultag ein kostenfreies Mittagessen. Doch 15 Rupien, gleich 10 Cent, die die Regierung pro Essen bereitstellt, lassen die Teller nicht gerade überquellen. Die Schulen müssen weitere Unterstützungsquellen finden. Realistischer Weise würde mindestens das Dreifache dafür benötigt. Auch für die neuen Schuluniformen fehlt oft das Geld. Eine Winter- und eine Sommergarderobe braucht es je Kind. Jede ist zu haben für etwas mehr als zehn Euro. In einem der ärmsten Länder unserer Erde bedeutet das viel Geld, das die Familien oft nicht aufbringen können. Die Schule bemüht sich auch hierfür um Unterstützung, auch bei der Beilngrieser Hilfsorganisation.
Erfreulich ist der seit einiger Zeit in der Schule eingerichtete „Health-Post“, die Erste-Hilfe-Station. Im Schulalltag verbindet die verantwortliche Mitarbeiterin so manche Wunden, hilft bei Kreislaufproblemen und tröstet, falls nötig. Bei schwerwiegenderen Notfällen hat die Schule das Glück, das Krankenhaus in unmittelbarer Nähe zu wissen.
Helfen: ein Herzensanliegen
Nach einem stärkenden Dal Bhat ging es auf unbefestigter holpriger Piste zum Kubinde Health Post. Vor zwei Jahren wurde das neue Gebäude mit finanzieller Unterstützung der Nepalhilfe Beilngries fertiggestellt. Der geräumige Bau löste das alte vom Erdbeben mitgenommene Gebäude in der etwas entfernteren Nachbarschaft ab. Das engagierte Team erwartet uns. Momentan braucht kein Patient dessen Aufmerksamkeit. Zwölf Personen haben die vier ausgebildeten Krankenschwestern und Hebammen an dem Tag schon versorgt. Im Monat sind es bis zu 400 Patientinnen und Patienten.
Für rund 2800 Bewohnerinnen und Bewohner der umliegenden Dörfer sind die medizinischen Kräfte verantwortlich. Häufige gesundheitliche Probleme seien Diabetes, Bluthochdruck, Asthma, aber auch Verletzungen infolge von Unfällen bei Farmarbeiten. Für die Frauen ist die Arbeit spürbar ein Herzensanliegen. Die Dienstälteste im Team ist seit 22 Jahren für die Gesundheitsstation tätig. „Wir sind glücklich, dass wir für die Menschen in den umliegenden Dörfern da sein können,“ sagt Mom Kumar Nepal, ausgebildete Hebamme, stellvertretend auch für ihre Kolleginnen. Die medizinischen Kräfte führen Impfaktionen durch, machen bei Hausbesuchen Gesundheits-Checks und bieten Programme für Schwangere. Die Größe des Teams lässt es zu, dass bei diesen Aktivitäten, die oft mobil stattfinden, immer zwei Personen in der Gesundheitsstation anzutreffen sind. Der Leiter ist außerdem 24 Stunden am Tag erreichbar: Im Gebäude gibt es eine kleine Wohnung für ihn.
Mathe: nur für manche ein Lieblingsfach
Die Shree Shiddhi Ganesh Secondary School mit ihren 365 Schülern nahe Chautara erreichen wir nach Schulschluss. Während die Schüler bereits auf dem Heimweg sind, warten einige Lehrerinnen und Lehrer hocherfreut auf unseren Besuch. Die vielen Khata-Ketten aus unzähligen Tagetes-Blüten sind nur einer der Beweise ihrer Gastfreundschaft. Ein anderer das herzliche Namaste und die ein oder andere spontane Umarmung. Bei Masala-Tee unter dem wolkenverhangenen Himmel erzählen die Frauen und Männer vom Schulalltag und besonderen Aktionen. Gegenüber vom Schulgebäude soll demnächst ein Erweiterungsbau entstehen. Die bestehenden alten einstöckigen Räume werden dafür weichen. Shyam Pandit hat den Besuch gleich genutzt um die nächsten Schritte mit den Verantwortlichen vor Ort zu klären.
Bodenbeläge und Möbel für Kantine fehlen noch
Am nächsten Morgen begrüßen uns Rektor Punya Prasad Gajurel und sein Team an der Shree Gyan Mandir Namuna Secondary School in Melchaur. Zusammen mit einigen Lehrerkollegen führt der 37-Jährige durch das Schulgebäude, das nach den gewaltigen Zerstörungen durch das Erdbeben vor zehn Jahren wieder hergestellt und gleichzeitig auch erweitert wurde. „Wir gingen durch sehr schlimme Zeiten“ sagt der Schulleiter und meint damit auch die Corona Pandemie. Dennoch wirkt er sehr positiv, engagiert und zuversichtlich.
Zur Neuerung gehören eine Küche und eine Kantine. Bodenbeläge zur besseren und hygienischen Reinigung fehlen noch und auch die Möbel in der Kantine. Beides sucht noch Finanziers, womit Punja Prasad Gajurel auf die erneute Unterstützung der Nepalhilfe Beilngries setzt. Etwa 250 Schülerinnen und Schüler bis zur siebten Klasse bekommen auch hier an Schultagen ein Mittagessen. Zwei Mitarbeiterinnen sind für die Zubereitung zuständig. Die Menüs wechseln täglich. Das Nationalgericht Dal Bhat darf im Wochenverlauf natürlich nicht fehlen, es gibt auch einen Gemüse-Tag oder einen Tag mit einem Fleischgericht.
Später zeigt uns der Lehrer für Wissenschaft sein Labor. Die zusammen mit den Schülerinnen und Schülern selbstgebauten und sehr einfachen, aber funktionsfähigen Modelle veranschaulichen Themen des täglichen Lebens. Da ist die Funktion unserer Lungen unter anderem mit Luftballons dargestellt, aber auch die Wirkungsweise von Wasserenergie oder von Gewächshäusern. „Die Schüler sind sehr interessiert,“ erzählt Dilip Shah, der gleichzeitig bedauert, dass er ihnen nicht mehr bieten kann. Wie zum Beweis des Mangels deutet er zum überschaubaren Regal mit den wenigen Chemikalien. Wenn er von seinem Fach „Science“ erzählt, strahlen seine Augen. Es ist zu vermuten, dass er nicht nur mit seiner Wissensvermittlung, sondern auch mit seiner ansteckenden Leidenschaft für sein Fach Jugendliche für ein Studium der Wissenschaft motivieren kann.
Schuleigene Erste-Hilfe-Station
Der junge Rektor zeigt auch noch die schuleigene Erste-Hilfe-Station. Häufige gesundheitliche Probleme machen den Kindern und Jugendlichen die Augen oder der Magen, Mädchen leiden oft an Menstruationsbeschwerden. Die ausgebildete Mitarbeiterin kümmert sich um die Problemfälle und gibt den Lehrkräften auch Tipps für Erste Hilfe. Außerdem verteilt sie oder eine Vertretung im Kollegium kleine Menstruationspacks an die jungen Frauen. Das ermöglicht ihnen, auch während ihrer Periode die Schule besuchen zu können.
Katastrophe glimpflich überstanden
Die letzte Station unserer zweitägigen Tour ist die Shree Bhal Chandra Secondary School in Manedovan, im Distrikt Kavre. Dass das Gebäude nahezu unversehrt steht, ist fürwahr ein Glücksfall, nachdem der kleine Bach im September 2024 zu einem reißenden Fluss anschwoll und dabei Gesteinsbrocken und -blöcke mitgerissen hat. Manche Häuser und landwirtschaftlichen Flächen im Umfeld haben dieses Ereignis weniger gut überstanden.
Am Schulgebäude, das danach voller Schlamm war, ist kaum mehr was von dem Unglück zu sehen. Das Gremium der Schulverwaltung rund um Ram Sharan Thapa besteht aus neun Personen, die eine Art Bindeglied zwischen Schule und Kommune bilden. Dazu gehören der Schulrektor, Sozialarbeiter, Eltern und Lehrer. Es entscheidet bei administrativen Themen mit und unterhält Kontakte zu NGOs wie der Nepalhilfe Beilngries. Wie an den anderen Schulen ist nicht nur das Geld für das täglich freie Mittagessen knapp, sondern auch die Lehrerzahl gering. Für die 110 Mädchen und 125 Jungen sind 20 Lehrkräfte vor Ort, die unter anderem Mathematik, Nepalesisch, Englisch, Wissenschaft mit Biologie, Chemie und Physik oder IT unterrichten. Außerdem gehört an den allgemeinbildenden Schulen ein länderspezifisches Fach zum Unterricht, in dem die Schülerinnen und Schülern Hintergründe zur nepalesischen Kultur, Sprache, Religion und Politik lernen. Ein guter Ansatz, um ihnen ihr Land näher zu bringen und sie womöglich an es zu binden. Denn es mangelt an Vielem in Nepal, nicht aber an jungen Menschen, die eine gute Schulausbildung wollen und benötigen um Nepal in Zukunft voranzubringen. Einen Mangel gibt es sicherlich nicht, nämlich den an Herzenswärme und Gastfreundschaft.